Archäologie - Heimatverein 1953 Abenheim e.V.

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Archäologie
Archäologische Funde der ersten Hälfte des 5.Jahrhunderts n.Chr. aus Worms-Abenheim

Dreißig Jahre lang - von 413 bis 443 n.Chr. - lebten die ostgermanischen Burgundern als römische Foederaten am linken Ufer des Rheins. Alle Versuche, den knappen und recht ungenauen Hinweis des aquitanischen Schriftstellers Prosper, dass die Burgundern im Jahre 413 einen Teil Galliens in der Nähe des Rheins bewohnten, durch archäologische Funde zu präzisieren und damit die Frage zu klären, ob die Siedlungsgebiete der Burgundern am Niederrhein, d.h. in der damaligen Provinz Germania II, oder aber in der Provinz Germania I. gelegen haben, etwa im Raum Worms, wie es das Nibelungenlied berichtet, sind bisher gescheitert.

Zwar liegen aus der Provinz Germania II kaum Funde vor, die die Anwesenheit einer großen ostgermanischen Bevölkerungsgruppe während der ersten Hälfte des 5. Jhs. belegen könnten, doch ist die Materialbasis in der Germania I. nur scheinbar günstiger. Aus diesem Gebiet stammt eine größere Anzahl ostgermanischer Grab- und Einzelfunde, doch sind diese allesamt mitteldonauländischer Herkunft. Zum Raum zwischen Elbe und Oder, dem Heimatland der Burgundern, aus dem der größte Teil des Stammes im Verlaufe des 4.Jhs. nach Westen abwanderte, ließen sich bislang noch keine archäologischen Beziehungen nachweisen.

Vielmehr schienen sich die letzten Spuren der ausgewanderten Burgundern um 400 n. Chr. im Raum zwischen Main- und Neckarmündung zu verlieren. Dass dieser Anschein trügt, beweist eine bronzene Gürtelschnalle, die im Herbst 1984 bei Bauarbeiten in der Welschgasse 10 in Worms Abenheim zusammen mit spätrömischer Keramik aufgefunden wurde (Anm. d. Hrsg. aus Wormser Zeitung vom 11. Oktober 1985: „Endlich klar: Burgunder waren da“: „... Da setzte im Oktober 1984 der Malermeister Thomas Brunn in der Welschgasse 10 neue Torpfosten. In kaum einem halben Meter Bodentiefe stieß er auf einen Steinquader, zwei bauchige, schlankhalsige Tonkrüge, verkrustete Eisenteile, eine Topfscherbe und die kleine bronzene Gürtelschnalle. Er handelte so, wie alle Finder noch so unauffälliger Gegenstände im Boden handeln sollten, und was ihm die Wissenschaft ‚ewig’ danken wird: Er meldete die Funde beim Museum und überließ sie ihm letztlich als Dauerleihgabe.“).

Die bei einem großen Steinquader entdeckten und ohne sorgfältige Beobachtung geborgenen Funde stammen aus einem Bereich, in dem bisher keine antiken Überreste, wie etwa Friedhöfe, bekannt waren.
Funde aus Abenheim
Funde aus Abenheim

Es handelt sich dabei um folgende Stücke:
1.
Enghalsiger Krug mit verdickter kantiger Lippe, hochliegender Schulter und einziehender Unterwand aus rötlich-gelb gebrannter, rauhwandiger Drehscheibenkeramik. Der Rand des Kruges ist leicht beschädigt, die Schulter mit zwei umlaufenden Riefen verziert. H. 20,7 cm, Rdm. 5,2 cm, Bdm. 6 cm (sie Bild, Nr. 1)
2.
Zylinderhalskrug mit doppelkonischem Bauch und gerundetem Halskragen rötlich-violetter rauhwandiger Drehscheibenkeramik. 20,7 cm, Rdm. 4 cm, Bdm. 6 cm (siehe Bild, Nr. 3)
3.
Randscherbe eines Kochtopfes mit Deckelpfalz aus blaugrau gebrannter, rauhwandiger Drehscheibenkeramik. Rdm. 20,1 cm (siehe Bild Nr., 2)
4.
Stark verrostete stangenförmige Eisenteile unbestimmbarer Funktion.
5.
Flachovale Gürtelschnalle aus zusammengebogenem Bronzedraht, der im vorderen Teil verdickt und rhombisch abgekantet ist sowie eine flache Mulde als Dornrast aufweist. Die beiderseits der Mulde symmetrisch angeordneten Ritzlinien und Kreisaugen wirken wie zwei stilisierte antithetische Tierköpfe. Der Schnallendorn ist verloren. Dm. 5,2 cm, Br. 3,2 cm (siehe Bild Nr., 4)
Obwohl bei diesen Funden keine Knochenreste entdeckt wurden, deutet die Unversehrtheit der beiden Krüge daraufhin, dass es sich um Beigaben eines spätkaiserzeitlichen Grabes handeln könnte.

Dies gilt allerdings nicht für die kleine Randscherbe des Kochtopfes mit Deckelpfalz, weil sie anhand ihres Profils in das letzte Drittel des 3.Jhs. und die erste Hälfte des 4. Jhs. zu datieren ist und damit zu sehr von der Zeitstellung der beiden Krüge und der Gürtelschnalle abweicht, welche dem ausgehenden 4. und der ersten Hälfte des 5.Jhs. angehören. Enghalsige Krüge mit verdickter Lippe aus rauhwandiger Keramik treten zwar schon in der zweiten Hälfte des 4. Jhs. auf, wie z.B. unter den Funden der spätrömischen Villa ,,In der Benn" von Bad Dürkheim und des in valentinianischer Zeit erbauten Kastells Alzey, finden sich aber noch in den ältesten Reihengräbern der Merowingerzeit. Dazu gehört der Krug aus dem West-Ost gerichteten Körpergrab VIII/ 1938 von Speyer-Germansberg, das am Nordrand des Gräberfeldes liegt und wegen dieser Lage und des mitgefundenen Glockenbechers aus Glas frühestens in die Mitte des 5.Jhs. datiert werden darf.

Der Zylinderhalskrug gleicht in seiner Form einem Krug aus Frauengrab 6 von Cortrat, De'p. Loiret, das wegen zweier später Tutulusfibeln in Stufe Böhme II, d.h. in die Zeit zwischen 380 und 420 n.Chr. eingeordnet werden kann. Ganz ähnliche Zylinderhalskrüge fanden sich außerdem in zwei Gräbern von Aschaffenburg und Wiesbaden, die aufgrund eines Glasbechers mit schräggeriefter Wandung, bzw. eines handgemachten Tonbechers mit horizontal gefurchter Oberwand um die Mitte des 5. Jhs. anzusetzen sind.

Von den in spätrömischer Zeit sehr weit verbreiteten unverzierten ovalen Eisenschnallen mit rautenförmigem Bügelquerschnitt unterscheidet sich die Bronzeschnalle aus Worms Abenheim durch ihre Punzverzierung, die ein Kennzeichen von Schnallen aus dem östlichen Mitteleuropa ist. Eine solche Punzverzierung besitzen z.B. die eisernen Gürtelschnallen aus Luboszyce Zabiniec und Szurpily, die, dem von K. Godlowski erarbeiteten Chronologiesystem archäologischer Kulturgruppen im Freien Germanien zufolge, charakteristische Formen des ausgehenden 4. und der ersten Hälfte des 5.Jhs. n. Chr. sind.

Mit mehreren Reihen aus eingepunzten Punkten ist auch die kleine ovale Gürtelschnalle aus dem wandalischen Frauengrab von Trebur verziert, das wegen der langen, eingliedrigen Fibeln mit umgeschlagenem Fuß und der großen Bronzeriemenzunge mit Ritzlinienzier, typischen Formen aus der Endphase der wandalischen ,,Przeworsker Kultur" im Raum zwischen Oder und Weichsel, ebenfalls in das ausgehende 4. und die erste Hälfte des 5.Jhs. zu datieren ist. Schließlich ähnelt die Abenheimer Schnalle mit ihren stark stilisierten Tierköpfen der sehr viel naturalistischer gearbeiteten Tierkopfschnalle aus Grab 20 von Schönfeld, Kr. Großenhain. Beide Stücke wird man als vereinfachte Imitationen römischer Vorbilder, wie etwa der Delphinkopfschnallen des späten 4. und frühen 5. Jhs. ansehen dürfen. Bei den zwei Tonkrügen und der Bronzeschnalle aus Worms-Abenheim handelt es sich also mit großer Wahrscheinlichkeit um Beigaben eines Grabes, das frühestens im ausgehenden 4.Jh. angelegt worden sein kann. Da die zwei Krüge zu Serien gehören, die nachweislich bis zum Beginn der Reihengräberzeit, also bis um 450 n. Chr., hergestellt wurden, ist aber eine Datierung des Ensembles in die erste Hälfte des 5. Jhs. vorzuziehen

Für die ethnische Deutung des Befundes eignet sich die Gürtelschnalle recht gut. Unter den alemannischen Funden des späten 4. und der ersten Hälfte des 5. Jhs. aus den rechtsrheinischen Gebieten besitzt die Schnalle aus Worms-Abenheim nämlich keine einzige Parallele. Auch im sog. elbgermanischen Raum, aus dem die alemannischen Eroberer Südwestund Süddeutschlands stammten, sind punzverzierte ovale Schnallen mit rhombischem oder achteckigen Bügelquerschnitt nahezu unbekannt. Die Verbreitungskarte zeigt vielmehr, dass es sich um einen Schnallentypus östlicher Herkunft handelt, und zwar um eine Parallelserie der in Polen, Ungarn und Südrussland verbreiteten punzverzierten Gürtelschnallen mit dreiviertelkreisförmigem Laschenbeschlag vom Typ Stregocice Tiszaladany-Kertsch des auslaufenden 4. und der ersten Hälfte des 5. Jhs. n. Chr.Während die punzverzierten ovalen Gürtelschnallen mit achteckigem bis rundem Bügelquerschnitt über weite Gebiete des östlichen Mitteleuropa verstreut, d.h. in Gräbern der Lebus-Lausitzer-, Przeworsker und Westbaltischen Kultur enthalten sind, konzentrieren sich die punzverzierten Schnallen mit rhombischem Bügelquerschnitt im Bereich der Lebus- Lausitzer Kultur, dem altburgundischen Siedlungsraum zwischen mittlerer Elbe und Oder.Die Bronzeschnalle aus Worms-Abenheim bezeugt somit die Existenz von Verbindungen zwischen der Bevölkerung der Provinz Germania I und der des mittleren Oderraumes in der ersten Hälfte des 5. Jhs., also zu einer Zeit, in der der größte Teil des burgundischen Volkes als Foederaten Roms am linken Rheinufer lebte. Damit kann sie das erste, allerdings noch völlig vereinzelte archäologische Indiz dafür sein, dass das Reich der Burgundern tatsächlich in der Landschaft um Worms gelegen hat.
Quelle: Auszug; Buch von Mechthild Schulze-Därrlamm, Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte des Römisch-Germanischen Zentrallmuseums in Mainz
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